Nachdem es doch schon eine Weile her ist, poste ich den gesamten Text, allerdings nur die fehlenden Bilder. Dann muss man nicht nach dem anderen Beitrag suchen. Wer allerdings ein gutes Gedächtnis hat, kann einfach erst ab "Fortsetzung" weiterlesen.
Ich hoffe, die Tage komme ich dazu meine Rückstände etwas aufzuarbeiten!
PS: Derzeit halte ich mich in Mindo auf, wo der Wald wunderschön, aber das Internet spinnt leider, vor allem Nachmittags. Aber immerhin hab ich welches

 

Es gibt viele verschiedene Typen von Reisenden. Zum Beispiel solche, die die Hotspots eines Landes oder einer Region aus dem Reiseführer als To-Do-List verstehen und nacheinander abhaken. Oder etwa solche, die verborgene Wege suchen und denen sich die Haare aufstellen, wenn sie Touristen sehen. Was natürlich nicht einer gewissen Ironie entbehrt, zumal sie ja selbst welche sind. Trotzdem (oder vielleicht auch deshalb) zähle ich mich selbst zu letzterem Typus. Also maximale Immersion, verschmelzen mit dem Hintergrund, Teil des Landes werden. Naja, theoretisch. Praktisch gesehen erkennt jeder von 2 km Entfernung, dass ich Tourist bin und wenn ich in den Spiegel schaue, blickt mir ein bleicher Gringo entgegen. Auch wenn mir mein Umfeld versichert, dass Europäer wie ich keine Gringos sind. Naja, Immersion ist eine schöne Idee, aber scheitert (nicht nur, aber auch) an der Realität meines Aussehens. Immerhin gibt es noch eben die Option, nur die versteckten und unbekannten Sehenswürdigkeiten aufzuspüren, sich nicht auf irgendwelche Insidertipps zu verlassen, sondern selbst Orte zu entdecken, um sie dann unter vorgehaltener Hand im Freundeskreis geheim weiterzugeben. Doch selbst daran scheitere ich. Oder scheiterte:
Vorletzte Woche fiel ein Sprachschultag aus, da Juan, mein Lehrer, zum Arzt musste. Um die Stunden nachzuholen, schlug er für den darauffolgenden Samstag eine Wanderung vor. Er machte ein paar Vorschläge, die mich nicht so ganz überzeugten – zu touristisch, aber auch einfach Orte, die ich selbst von meiner Unterkunft zu Fuß erreichen kann. Stattdessen machte ich den Vorschlag Cuicocha, einen Kratersee nur etwa 15km von Otavalo entfernt, zu erkunden oder besser gesagt zu umrunden. Zwar war das alles andere als ein verborgener Ort, sondern ganz im Gegenteil eine der Hauptattraktionen hier in der Region, aber immerhin das südliche Ende eines Nationalparks und diversen Fotos zu entnehmen einfach auch tatsächlich ein schöner Ort für eine gemütliche Wanderung. Als Juan dann erzählte, dass ein neuer Teil des Wanderwegs erst vor drei Monaten eröffnet wurde und es erst seitdem möglich sei den gesamten See (legal) zu umwandern, war auch meine innere Stimme, die nach Neuem, Unbekanntem geifert, zumindest etwas beruhigt. Dennoch hatte ich zwei Sorgen. Einerseits, dass das Wetter nicht halten würde, denn im niederschlagsreichen April, zieht hier spätestens nachmittags die Wolkendecke zu um mal mehr, mal weniger zu regnen. Andererseits, dass die Strecke samstags von Touristen überlaufen würde. Letzteres schreckte mich deutlich mehr, zumal ich mich gegen ersteres mit adäquater Kleidung rüsten konnte und die Wasseroberfläche des Sees weit genug vom Wanderweg entfernt war, dass ich nicht fürchten musste in einer Spiegelung zu erkennen, dass ich selbst nichts anderes als ein Tourist war beziehungsweise bin.

So weit, so gut. Wie geplant ging es dann auch samstags etwa gegen halb Neun los. In etwa, da in Südamerika ausgemachte Zeiten nicht so ganz genau gelten. Zumindest habe ich das so verinnerlicht, weswegen der stets pünktliche Juan ein paar Minuten auf mich warten musste. Für 35 Centavos führte der Weg erst einmal mit dem Bus nach Quiroga, von wo aus wir dann den nächsten Teil von einem Fahrer in einer Camioneta (quasi ein Taxi in Pick-up-Form) für 5 Dollar an den See bringen ließen. Ausgestiegen begrüßte uns am Parkplatzrand im Gebüsch zuerst einmal ein prachtvoller Vogel von beinahe Krähengröße mit knallroter Brust und schwarzen Flügeln (wie sich später herausstellen sollte ein Schmuckvogel), der sich aber leider wieder verabschiedete, bevor ich ein Foto schießen konnte. Stattdessen wandte ich mich dann einem Motiv mit mehr Geduld zu und schoss meine ersten Fotos vom See. Es sollten noch (sehr) viele weitere folgen. Die Strecke, vor deren Schwierigkeit (körperlicher Natur) ich in der Sprachschule beinahe schon gewarnt wurde, entpuppte sich als sehr gemütliche Wanderung auf einem gut gepflegten Weg am Grat des Kraters entlang. Mit insgesamt nur etwa 400 Höhenmetern Differenz und gut gepflegten Wegen hält sich der Anspruch in Grenzen, sodass sich die gesamte Strecke sich auch in 4 - 5 Stunden bewältigen lässt. In unserem Falle sollten es dann doch knapp über 6 Stunden und hunderte Fotos werden – ein kausaler Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Vor Ort gab es dann für mich gleich mehrere positive Überraschungen: Der befürchtete Touristenansturm blieb komplett aus. Insgesamt dürften an diesem Tag vielleicht noch zehn andere Leute unterwegs gewesen sein, was sich auf der Strecke jedoch gut verteilt – auch weil es nur eine Wanderrichtung gibt. Das Wetter zeigte sich ebenfalls (beinahe) von seiner besten Seite (jedenfalls zunächst) und überall am Wegrand genossen Eidechsen den Sonnenschein.

Fortsetzung:
Der entspannte Sendero am Grat des Kraters entlang führte uns dabei durch eine Vegetation, die für mich eine Interessante Mischung aus Neuem und Vertrautem ergab. Graslandschaft, Klee, Farbe, verschiedene kleine Korbblütler und dazwischen alle paar Meter Eidechsen. Aber dann immer wieder Agaven in allen Größen, mit und ohne Blüten, mir unbekannte Sträucher und Kräuter und natürlich Bromelien. Während ich die Landschaft genoße und mich an Flechten erfreute, die mich an Trichteralgen aus dem Meer erinnern, erzählte mir Juan, dass der See seinen Namen trägt, da der See früher ein heiliger Ort war, an dem der Berggottheit Cotacachi Opfer gebracht wurden. Da Cotacachi mit beinahe 5000 Metern durchaus Ehrfurcht gebietet, waren natürlich auch große und großartige Opfer angebracht. Wie etwa das majestätische Meerschweinchen – zu Kichwa „Cui“. Ob Cuicocha tatsächlich daher diesen Namen trägt, blieb für mich allerdings offen. Auch andere Versionen kursieren, etwa dass die Ähnlichkeit einer der beiden Inseln mit einem Meerschweinchen der wahre Grund sei oder, dass der See ursprünglich „Kuychi Kucha“ (Regenbogensee) beziehungsweise„Tsuish Kucha“ (See der Götter) hieß und das heutige Cuicocha lediglich eine Verballhornung darstellt. Jedenfalls unbeirrt von den etymologischen Verwirrungen brachte ich unser Vorankommen immer wieder mit neuen Langzeitaufnahmen des Sees (Polfilter sowie ND-Filter lohnen sich enorm) sowie Schnappschüssen der saftig grünen Kulturlandschaft zu unserer Rechten. Etwas später auf dem Weg trafen wir dann auf kleine Pavillons mit Sitzgelegenheiten, der erste belegt von einer dreiköpfigen Touristengruppe, die sich von einem Privatkoch reichhaltig bewirten ließ und der zweite Ort unserer kurzen Mittagspause. Nachdem wir uns etwa auf 3300 Meter Seehöhe befanden, hatte ich keinerlei Gedanken auf Mückenschutz verschwendet, schließlich kommen die wirklich gefährlichen Krankheiten so weit oben in den Bergen nicht vor. Was ich nicht bedacht hatte, war, dass das für die Moskitos leider nicht galt. Der jahrzehntelange Schokoladenexzess hat zudem scheinbar dazu geführt, dass mein Blut derart süß ist, dass es von den heimischen Blutsaugern als Delikatesse verschlungen wird. Während ich gefühlt durch Mücken in einer viertel Stunde Pause mehr Flüssigkeit verlor, als auf dem Weg durch die Sonne und Bewegung, plagten Juan deutlich weniger Insekten. Somit hatte er auch Gelegenheit, mich vor Attacken zu warnen, die ich nicht sehen konnte, wie etwa auf meiner Stirn. Nachdem ich mir mehrmals auf Juans Empfehlung mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hatte, bedankte ich mich mit gebührendem Respekt bei meinem lachenden Lehrer und wir setzten unseren Weg fort. Inzwischen wurden wir rechterhand von dem wolkenverhangenen Cotacachi begleitet, von dem herunter auch ein Bach führte, an dessen schmalen Ufern sich die Vegetation wandelte und ecuadorianisches Mammutblatt tropisches Flair mithilfe weiterer Moskitos verbreitete. Dass ich auf dem Weg immer wieder unbekannte Vogelstimmen hörte (unter anderem eines großen Greifvogels), die Urheber allerdings nicht ausmachen konnte und es auch verpasste einen kleinen, beinahe schwarzen Kolibri mit weißer Brust zu fotografieren, der es an diesem Tag sehr eilig hatte, grämte mich nicht allzu sehr, da kein Mangel an Motiven bestand und ich immerhin einen anderen Kolibri ablichten konnte, der für mich neu war. Dem Namen Lesbia victoriae zum Trotz, handelte es sich um ein Männchen, was sich auch unschwer an der Schwanzlänge (Fotos weiter unten) erkennen lässt. Schließlich kamen wie den Kiefern immer näher, die den Beginn des neuen Teils der Route markierten. Bergsee mit Kiefern, das klang bekannt. Tatsächlich dürften die Kiefern auch nicht unbedingt der heimischen Flora angehören, sondern zum Holzanbau angepflanzt worden sein. Schließlich ist dieser Teil größtenteils Privatgelände. Das war allerdings den Bromelien egal (sowohl der Privatbesitz als auch das Exotentum der Kiefern), die sich gemütlich in den Nadelgehölzern eingenistet hatten und mit ihrem frischen Grün und Rot Farbkleckse in das triste Graubraun der Stämme brachte. Dem Wetter wiederum war egal, dass das viele Fotografieren auf dem Weg ordentlich Zeit gekostet hatte und es tat, was es quasi immer um diese Uhrzeit tut. Es fing an zu regnen, in diesem Falle begleitet von einem Gewitter, das nur knappe zwei Kilometer entfernt war. Als dann die Regenschnüre schon beinahme den Begriff „Breitband“ verdient hatten, stellten Juan und ich uns in einem Offenen Stall am Wegrand unter, wo Juan meinen modischen Notfall-Poncho bekam und ich mir die Regenhose anzog, bevor es weiterging. Später hörte ich, dass es typisch deutsch sei, beim Wandern das Wetter zu ignorieren. Nachdem ich beim Versuch noch ein paar Regenfotos vom See zu schießen und dabei meine Kamera samt Objektiv gleich noch mitwusch, ging es dann wieder Richtung Ausgangspunkt, wo Juan den Fahrer anrief und wir beide nochmal kurz den Schmuckvogel sahen. Meinem Lehrer zu Folge sollte der ja Glück bringen und für diesen Tag konnte ich das bestätigen, denn so eine lohnenswerte Tour habe ich selten unternommen. Und wer die Benewand oder den Herzogsteig am Wochenende bei schönem Wetter kennt, der weiß, dass Hauptattraktion hin oder her, der Tourismus sich hier – zumindest in der Nebensaison – doch stark in Grenzen hält.

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