Neue Herausforderungen können häufig mit Problemen verbunden sein. Ein solches begleitet mich quasi seit dem ersten Tag: Ich will zu viel. Vor allem zu viel gleichzeitig. Dabei bemühe ich mich sogar „vernünftig“ zu sein und an vielen Stellen zurückzuschrauben, wie man ja auch an meinem Blog merkt (bzw. dem Mangel an Einträgen). Natürlich würde ich gerne täglich fotografieren und Blogeinträge, Geschichten oder Artikel(chen) schreiben, die Umgebung erkunden und vieles mehr. Allerdings habe ich mich recht schnell damit abgefunden, dass aus Zeitgründen das einfach nicht möglich ist. Gefühlt hat meine Reise auch noch gar nicht begonnen, denn erst brauche ich ein vernünftiges Sprachniveau. Genau darauf bezieht sich auch mein Problem. Denn genau damit bin ich noch nicht zufrieden und hoffe einerseits, dass das auch noch eine ganze Weile so bleibt (denn es ist ein guter Ansporn), aber andererseits auch, dass der Grund für meine Selbstkritik stetig (und möglichst schnell) abnimmt. Mein größtes Problem sind natürlich die Vokabeln, die mir bei jedem Gespräch fehlen, wie auch in meinen Gedanken und Träumen, die inzwischen zumindest teilweise spanisch sind. Schon von Anfang an hatte ich eine gewisse Panik, in den ersten 6 Wochen genügend Vokabeln zu lernen. Wie viele Vokabeln kann man sich pro Tag einprägen? 20? 30? 50? Sprachniveau A1 beinhaltet etwa 500 Wörter und nach 6 Wochen möchte/muss ich ja deutlich darüber liegen. Gleichzeitig muss ich eingestehen, dass mir zwar täglich sicher mindestens 50 neue Vokabeln begegnen, ich es aber nicht schaffe sie mir alle sofort wirklich dauerhaft einzuprägen. Mein erstes Buch (El phantasma de Canterville) habe ich irgendwann diese Woche ausgelesen und obwohl es „Sprachniveau 1“ war, begegneten mir pro Seite mindestens 20 neue Vokabeln. Gut, zu einem gewissen Grad mag das sicher auch daran liegen, dass das Buch für Sprachniveau 1 Englisch gedacht ist und auf der linken (englischen) Seite tatsächlich die Sätze deutlich kürzer sowie die Vokabeln einfacher sind, als auf der rechten (spanischen) Seite. Trotzdem zeigt es, wie viel ich dringendst dazulernen muss. Inzwischen bin ich bei einem Buch „Leyendas Ecuadorianas“, bei dem es keine Rücksicht für Sprachanfänger gibt und eigentlich geht es genauso weiter (also etwa 20 neue Vokabeln pro Seite, ohne die Quechua-Ausdrücke). Mir fällt es derzeit unglaublich schwer, einzuschätzen wie groß mein Vokabular „bereits“ ist, außer, dass es mir nicht reicht all das zu sagen, was ich sagen möchte. Wer mich kennt, weiß, dass das recht viel sein kann (und freut sich vielleicht für meine Gastfamilie, dass ich sie noch nicht so zutexten kann, wie ich es gewohnt bin). Beim Spanischen gliedert sich für mich der Wortschatz auch gleich in drei Kategorien. Klarerweise aktiv und passiv, allerdings kommt noch der intuitive Wortschatz dazu. Letzterer hat eine Schnittmenge mit beiden ersteren Gruppen. Denn wenn es ein Wort im Englischen, Deutschen und(oder) Lateinischen gibt, dann ist die Chance sehr groß, dass es auch im Spanischen existiert. Auf die Art kann man sich manches zusammenreimen und wird dann auch meistens verstanden (und auf Details hin korrigiert). Beim Lesen erschließt sich so ebenfalls mehr, auch wenn es ein kleines Problem gibt: Viele Wörter haben einen ganzen Haufen an zum Teil ganz unterschiedlichen Bedeutungen. Ein kurzes Beispiel von gerade eben: „la ilusión“. Klar Illusion… oder? Das auch, aber das Wort bedeutet daneben ebenfalls unter anderem (Vor)Freude oder Hoffnung (wie in der leyenda gerade eben). Dann kommen noch bestimmte Ausdrücke dazu, bei denen Verben plötzlich eine andere Aussage besitzen. „Sacarse“ bedeutet etwa „sich ausziehen“, „sacarse el permiso“ hingegen „den Führerschein machen“ (und es gibt deutlich schlimmere Beispiele, die ich allerdings schon wieder vergessen habe). Der Kontext spielt in jedem Fall eine ganz bedeutende Rolle, was die Situation für mich nicht unbedingt immer erleichtert.
Tja, ich weiß, dass es zu viel verlangt ist, nach (nur? schon?) 3 Wochen fließend spanisch sprechen zu wollen, aber andererseits geht immer mehr und ich habe ständig das Gefühl, mir läuft die Zeit davon, auch wenn ich mich entschlossen habe mindestens noch eine oder 2 Wochen hier in Otavalo dranzuhängen. Ich will mehr. Jetzt.
Deswegen muss ich mich auch gleichzeitig entschuldigen, denn ich denke, dass ich auch weiterhin nicht dazu kommen werde regelmäßig Texte und/oder Fotos zu posten. Erst wieder, wenn meine Reise wirklich beginnt (hoffe ich jedenfalls). Bis dahin müssen Geschichten wie die „Fiesta con Fanesca“ (eine Karfreitags-Suppe), „Zt-tscht – der Ruf des Kolibris“, „(K)ein Marktplatz für jeden“ bzw. „Der Preis des Honigs – oder – ein Leben ohne Schokolade“ warten. Genauso wie ein Familienportrait oder eines der Stadt… aber für beides möchte ich mir ordentlich Zeit nehmen.
In diesem Sinne, frohe Ostern!